Was ist die Sneakerjagd?

Kurz gesagt: das größte Projekt, das wir bisher auf die Beine gestellt haben. Zusammen mit dem NDR und der ZEIT haben wir über ein Jahr lang recherchiert. Wir haben gleich mehrere Filme gedreht, einen Podcast produziert, Texte geschrieben und eine Website gebaut. Wir sind undercover gegangen und haben uns mit Milliardenkonzernen angelegt. Und wir haben Promis eine ziemlich weirde Frage gestellt: Können wir Eure alten Sneaker haben?

11 Promis haben uns für die Recherche ihre alten Sneaker gegeben

In den Sohlen der Promi-Schuhe haben wir dann GPS-Sender versteckt und sie in verschiedene Entsorgungskanäle eingespeist. Wir haben sie in Altkleidercontainer geworfen, etwa vom Deutschen Roten Kreuz. Andere haben wir den großen Händlern und Herstellern zurückgegeben. In einem Nike-Store zum Beispiel warfen wir sie in eine braune Box, auf der steht: „Recycle Deine alten Schuhe“. Auf einer ähnlichen Box beim Textilriesen Zara hieß es: „Schenken Sie der Kleidung, die Sie nicht mehr tragen, ein neues Leben.“ Das klingt nach: Du kannst mit Deinen alten Schuhen noch etwas Gutes tun. Aber ist das wirklich wahr?

22 Sneakerhaben wir mit GPS-Trackern verwanzt und die Signale monatelang verfolgt

Warum wir diese Art der Recherche gewählt haben? Weil man bisher erstaunlich wenig darüber weiß, wohin gebrauchte Schuhe gehen, wenn man sie in einen Altkleidercontainer wirft oder in eine Recycling-Box einwirft. Und weil man, wenn man bei den entsprechenden Stellen nachfragt, oft nur vage, unkonkrete Antworten erhält.

1 Frage wollen wir beantworten: Was passiert mit unseren alten Schuhen, wenn wir sie entsorgen?

Warum macht Ihr das?

Fast Fashion ist ein riesiges Problem. Das ist eigentlich schon seit Jahren bekannt. Aber ändern tut sich nix, im Gegenteil: Es wird immer mehr, immer schneller und immer billiger produziert. Die Modeindustrie verursacht inzwischen so viel CO2 wie internationale Flüge und Kreuzfahrten zusammen. Ganz zu schweigen vom Ressourcenverbrauch und dem Müll, der dabei entsteht. Sneaker stehen wie kaum ein anderes Kleidungsstück für die Fast-Fashion-Gesellschaft. Das Geschäft mit den Turnschuhen boomt. Jedes Jahr werden rund 1,4 Milliarden Paar Sneaker verkauft. Das sind doppelt so viele wie noch 2012. Die Konzerne machen damit rund 70 Milliarden Dollar Umsatz. Das ist in etwa so viel wie das BIP von Luxemburg!

Der Sneaker-Boom: Weltweit werden derzeit 1,4 Milliarden Paar Sneaker verkauft. Für 2025 prognostiziert Statista im "Sneaker Report 2020" schon 1,8 Milliarden Paar.

Die Hersteller befeuern den Hype, indem sie ständig neue Modelle auf den Markt bringen. Nur: Lange hält das Glück mit den Schuhen meist nicht. Sie werden entsorgt, weil sie durchgelatscht sind, doch nicht so schick aussehen oder das Regal eh schon überquillt. Allein in Deutschland werden über 380 Millionen Paar Schuhe pro Jahr weggeschmissen, fast fünf Paar pro Person. Ein riesiger, nur schwer zu recycelnder Müllberg:

»Die Schuhe bestehen aus über 40 Komponenten, die mit billigem Klebstoff zusammengehalten werden.« Michael Braungart, wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstitus

Außerdem, so Michel Braungart, verursachten die Sohlen Mikroplastik, das Mensch und Umwelt gleichermaßen schade. Er spricht von einem „ökologischen Desaster”.

In der Hamburger Innenstadt, wo wir die meisten der verwanzten Schuhe einspeisen, hat man einen ganz anderen Eindruck. Überall werben die großen Marken mit grünen Slogans. Nike will den eigenen Abfall auf null reduzieren und nennt das „Move to Zero“, Adidas verkauft Schuhe aus „Ocean Plastic“, bei H&M kann man „Conscious-Punkte“ sammeln, wenn man aussortierte Kleidung abgibt. Die Botschaft: Wir haben das Problem erkannt und kümmern uns. Hat also wirklich ein Prozess des Umdenkens begonnen? Unsere GPS-Sneaker sollen eine Antwort auf diese Frage liefern.

Und wieso die Promis?

Kurz gesagt: Weil wir wollen, dass das Thema die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient. Und weil wir hoffen, so auch Menschen mit unserer Recherche zu erreichen, die sich sonst nicht so viel mit Fast Fashion und einem nachhaltigeren Konsum beschäftigen.

Zugegeben, am Anfang war das auch für uns etwas komisch. “Hey, magst Du uns Deine alten Schuhe geben?”, ist ja schon eine seltsame Frage. Aber glücklicherweise haben uns die Promis nicht für verrückt erklärt und fanden die Idee gut, für das Thema zu sensibilisieren.

Elf Promis haben uns für die Recherche ihre alten Sneaker überlassen.

Ein weiterer Grund, dass so viele Prominente mitgemacht haben: Sie fanden es einfach selber total spannend, was wohl mit ihren Schuhen passieren würde!

»Ich habe mich schon immer gefragt: Wo landen die denn dann eigentlich? Was passiert damit?« sagt die Moderatorin Janin Ullmann
»Werden sie verbrannt, werden sie auseinander gebaut, wird etwas Neues aus ihnen gemacht?« fragt sich die Komikerin Carolin Kebekus

Auf die Reise geschickt haben wir die Sneaker des SPD-Politikers Kevin Kühnert, der Komikerin Carolin Kebekus, der Musiker:innen Jan Delay, Joy Denalane, Jakob Sinn (Revolverheld) und Marie Curry (Neonschwarz), der Moderator:innen Linda Zervakis, Janin Ulmann und Michel Abdollahi sowie der Influencer:innen Luisa Dellert und Fynn Kliemann.

Alle elf Promis haben am Anfang der Recherche kurze Videos für uns aufgenommen, in denen sie ein bisschen was zu den Schuhen erzählen. Auf sneakerjagd.de könnt Ihr sie sehen!

Wie funktioniert das mit den GPS-Trackern?

Am Anfang dachten wir, na klar, da verstecken wir einfach einen kleinen GPS-Tracker in den Schuhen und fertig. Mit der Vorstellung hat unser Mann für das GPS-Tracking dann aber schnell aufgeräumt: „Ein daumennagelgroßer Chip, den James Bond einmal um den Globus verfolgt, ist technologisch völliger Schwachsinn“, sagt Oliver Strecke von Viamon, der Firma, mit der wir für die Recherche zusammengearbeitet haben.

Die GPS-Tracker sind in etwa so groß wie eine Visitenkarte, nur dicker. Gar nicht so einfach, sie in einem Sneaker wie dem von Marie Curry (Neonschwarz) zu verstecken.

Viamons Kerngeschäft, man kann es sich denken, ist eigentlich nicht das Verwanzen von Promi-Sneakern. Das Unternehmen entwickelt Sicherheitskonzepte für Photovoltaik-Anlagen und baut die GPS-Tracker deshalb normalerweise in Solarpanels ein. Die Tracker in einen Sneaker zu bekommen, war gar nicht so leicht. Die Sohlen der Schuhe mussten wir ausfräsen, um Platz zu schaffen: für moderne GPS-Tracker, inklusive Akku und Bewegungssensoren.

Um die GPS-Tracker in den Schuhen zu verstecken, mussten wir die Sohle ausfräsen (hier die von Michel Abdollahis Nikes).

Da wir die Schuhe ja monatelang verfolgen wollten, war unser größtes Problem der Akku. In den Sohlen der Schuhe ist nur wenig Platz. Gleichzeitig müssen die Akkus mehrere Monate halten. Und jedes Signal kostet Energie. Das ist beim GPS-Sneaker nicht anders als beim Mobiltelefon. Man kann die Sender deshalb so einstellen, dass sie sich nur einmal am Tag oder einmal die Woche melden. Oder nur dann, wenn sie bewegt werden. Immer mussten und müssen wir abwägen: Akku schonen oder exakter tracken?

Mithilfe der GPS-Signale konnten wir die Sneaker quasi live jagen.

Wo kann ich die Sneakerjagd verfolgen?

Wir erzählen die Sneakerjagd in den kommenden Wochen seriell. Sie wird uns nach Osteuropa und Afrika führen. Einige der Schuhe werden aber auch eine erstaunlich kurze Reise machen. Auf der Website www.sneakerjagd.de könnt Ihr den Weg der Schuhe auf einer interaktiven Karte verfolgen. Jeden Donnerstag schalten wir dort weitere GPS-Sneaker frei, los geht’s schon übermorgen mit den Schuhen von Jan Delay, Fynn Kliemann und Kevin Kühnert. Ansonsten halten wir Euch hier im Newsletter auf dem Laufenden und – mit zusätzlichen Inhalten – auch auf dem Flip-Instagram-Kanal. Außerdem gibt es im Podcast von NDR Info jede Woche eine neue Episode. Das junge Format des NDR Fernsehens Strg_F wird berichten, ebenso wie ZEIT und ZEIT Online.

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